Wunsch nach mehr Beteiligung des anderen Elternteils
aktualisiert am 31.01.24 von Stefanie Amberg, Dr. Heinz Kindler, Dr. Janin Zimmermann Entwicklungs- und Familienpsychologie, Deutsches Jugendinstitut und Ludwig-Maximilians-Universität München
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Hier finden Sie Antworten auf die folgenden Fragen:
- Wie ist die Situation, wenn sich ein Elternteil wenig beteiligt?
- Wie kann man mit den Kindern über die mangelnde Beteiligung des anderen Elternteils sprechen?
- Wie kann man damit umgehen, wenn ein Elternteil nach längerer Zeit wieder Kontakt zu den Kindern aufnehmen will?
- Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es bei Belastungen im Alltag?
Wie ist die Situation, wenn sich ein Elternteil wenig beteiligt?
Häufig haben Konflikte um die Kontakt- und Betreuungszeiten der Kinder nach einer Trennung den Hintergrund, dass beide Elternteile möglichst viel Zeit mit den Kindern verbringen wollen und auch getrenntlebende Elternteile weiterhin eine wichtige Rolle bei der Erziehung ihrer Kinder einnehmen möchten und ggf. unter dem Gefühl leiden, der „Wochenend-“ oder „Spaß-“Elternteil zu sein. Möglicherweise erscheinen Ihnen diese Themen völlig abwegig, da Sie mit genau dem gegenteiligen Problem konfrontiert sind.
Sie müssen seit der Trennung alle Aufgaben im Haushalt und bei der Kinderbetreuung alleine stemmen und gegebenenfalls mit Ihrer Berufstätigkeit unter einen Hut bringen. Der andere Elternteil übernimmt hingegen keine Verantwortung im Alltag, nimmt Kontakte mit den Kindern nur sporadisch wahr oder hat sich sogar seit einiger Zeit gar nicht mehr bei Ihnen oder den Kindern gemeldet, und zahlt vielleicht auch keinen oder nur unregelmäßig Unterhalt. Sie sind mit dieser Situation nicht allein. Befunde von Studien lassen darauf schließen, dass bei etwa 15% bis 30% der Trennungsfamilien in Deutschland der Kontakt zwischen den Kindern und dem getrenntlebenden Elternteil entweder nie bestanden hat oder mit der Zeit abgebrochen ist.
Elternteil kümmert sich um alles gleichzeitig
Was können Gründe sein, warum sich ein Elternteil nach der Trennung nicht einbringt?
Die Gründe, warum ein Elternteil keine oder wenig Verantwortung für seine Kinder nach der Trennung übernimmt, können vielfältig sein. Untersuchungen zeigen, dass bei Elternteilen, die kein Sorgerecht für ihre Kinder haben, im Schnitt Kontakte häufiger abbrechen, als bei Elternteilen, die (weiterhin) rechtliche Verantwortung für ihre Kinder tragen. Manche Elternteile können sich mit der Rolle als Eltern nicht identifizieren, es fehlt ihnen an Verantwortungsgefühl oder sie fühlen sich damit überfordert, die Kinder (allein) zu betreuen. Bei anderen Elternteilen können v. a. psychische oder Suchtprobleme eine Rolle dabei spielen, dass es ihnen nicht gelingt, Kontakte regelmäßig verantwortungsvoll wahrzunehmen.
Bei anderen besteht vielleicht der Wunsch nach Kontakten, aber die Umsetzung ist schwierig, z. B. bei einer weiten Entfernung zwischen den Wohnorten der Eltern. Manchmal kann es vorkommen, dass, wenn ein Elternteil nach der Trennung eine neue Familie gründet, ganz für diese da sein möchte. Schließlich kann es auch sein, dass ein Elternteil Gespräche über die Kinder oder Treffen mit den Kindern vermeidet, weil er sie als schmerzhaft oder sehr belastend erlebt. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn ein Elternteil stark unter der Trennung von der Partnerin oder dem Partner und den Kindern leidet oder das Verhältnis der Eltern sehr konfliktbelastet ist.
Wie kann man mit den Kindern über die mangelnde Beteiligung des anderen Elternteils sprechen?
Enttäuschtes Mädchen
Für Elternteile, die ihre Kinder hauptsächlich im Alltag betreuen, kann es sehr frustrierend sein, wenn sich der andere Elternteil nicht oder zu wenig einbringt. Nicht nur, weil diese Elternteile alle Aufgaben und Herausforderungen alleine stemmen müssen und sich möglicherweise vom anderen im Stich gelassen fühlen, sondern auch weil dies zu Belastungen und negativen Reaktionen bei den Kindern führen kann, die dann der allein betreuende Elternteil ebenfalls auffangen muss.
Manche Kinder leiden sehr darunter, wenn sie den Eindruck haben, dass sich ein Elternteil nicht für sie interessiert. Sie fühlen sich nicht geliebt und abgelehnt, was sich negativ auf ihr Wohlbefinden und ihren Selbstwert auswirken kann. Andere Kinder idealisieren den abwesenden Elternteil und suchen die Schuld an der Situation des betreuenden Elternteils, dem sie Vorwürfe machen. Betreuende Eltern sind dann oft verunsichert, was sie ihren Kindern sagen sollen.
Trauriges Kind
Mit den Kindern im Gespräch bleiben...
Da ihnen ihre Kinder leidtun und sie Kontakte mit dem anderen Elternteil eigentlich wichtig fänden, laufen manche Eltern dem anderen Elternteil immer wieder hinterher, um Treffen zu ermöglichen, oder erfinden für den anderen Elternteil Ausreden, wenn ein Treffen mal wieder nicht geklappt hat. Sie sollten sich jedoch immer bewusst machen, dass es nicht Ihre, sondern die Verantwortung des anderen Elternteils ist, Kontakte wahrzunehmen und sich einzubringen. Ihre Aufgabe besteht allein darin, eine Beziehung zum anderen Elternteil grundsätzlich zu ermöglichen.
Um die Kinder in der Situation zu entlasten, ist es vielmehr wichtig, mit ihnen im Gespräch zu bleiben. Dabei ist es am besten, wenn Sie offen mit ihnen sprechen und ihnen ein realistisches Bild vermitteln. Wenn Sie durchaus gute Chancen sehen, dass der andere Elternteil sich in Zukunft (wieder) vermehrt einbringen wird, kann es erst einmal durchaus sinnvoll sein, bei den Kindern weiter für Geduld und Verständnis für den Elternteil zu werben.
Mutter mit Kind im Gespräch
Wenn Sie die Chancen jedoch als gering einschätzen, sollten Sie auch keine falschen Hoffnungen bei den Kindern wecken. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Kinder wiederholt enttäuscht werden, sich nicht ernst genommen fühlen und sogar die eigene Beziehung zu den Kindern darunter leidet. Stattdessen kann man beispielsweise offen sagen, dass man selbst nicht weiß, was los ist, oder man es sich selbst auch anders gewünscht hätte. Auf Beschimpfungen und Abwertungen sollten sie jedoch verzichten, auch wenn Sie sehr wütend und enttäuscht sind. Lassen Sie Ihren Kindern weiter die Möglichkeit, sich ihr eigenes Bild vom anderen Elternteil zu machen, und halten Sie die Tür für eine zukünftige Wiederaufnahme von Kontakten weiterhin offen.
Wenn Sie sich unsicher sind, wie Sie am besten mit Ihrem Kind über das Thema sprechen sollen, oder sich Sorgen machen, was die Situation mit Ihrem Kind macht, können Sie sich für Rat und Unterstützung auch an eine Erziehungsberatungsstelle wenden.
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Wie kann man damit umgehen, wenn ein Elternteil nach längerer Zeit wieder Kontakt zu den Kindern aufnehmen will?
Manchmal kommt es vor, dass sich ein Elternteil nach längerer Zeit wieder meldet und sich Kontakte mit den Kindern wünscht. Hierbei ist natürlich wichtig zu berücksichtigen, ob die Kinder hierfür gerade offen sind und sich trotz möglicherweise sehr enttäuschender Erfahrungen mit dem Elternteil Treffen (weiterhin) vorstellen können. Als Elternteil sollten Sie sich einer Wiederanbahnung von Kontakten jedoch nicht grundsätzlich versperren. Wie oben beschrieben, kann es verschiedene Gründe geben, warum ein Elternteil für eine gewisse Zeit nicht bereit oder fähig ist, sich verantwortlich einzubringen. Die Umstände können sich mit der Zeit aber verändern.
Elternteil meldet sich nach längerer Zeit
Soweit es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gibt, dass der andere Elternteil nicht fähig ist, die Kinder angemessen zu betreuen, und es bei Kontakten zu einer Gefährdung der Kinder kommen könnte, ist es sinnvoll, dem anderen Elternteil eine Chance zu geben, wieder einen Kontakt zu den Kindern aufzubauen. Dies gibt Kindern die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild vom anderen Elternteil zu machen und eventuell entstandene Idealbilder abzugleichen. Zudem eröffnet es die Chance, dass sich eine positive Beziehung zwischen den Kindern und dem Elternteil entwickelt und sich der andere Elternteil mehr engagiert, was auch zu einer gewissen Entlastung beim betreuenden Elternteil beitragen kann.
Vater und Sohn telefonieren
Wenn Kinder sehr verunsichert oder nervös sind, nach langer Zeit wieder auf den Elternteil zu treffen, kann es manchmal entlastend sein, nicht gleich mit einem persönlichen Treffen zu starten, sondern erstmal zu telefonieren oder einen Video-Call zu machen, um sich allmählich wieder anzunähern. Sollte der Kontaktabbruch bereits stattgefunden haben, als ein Kind noch sehr jung war, sodass es sich an den anderen Elternteil nicht erinnern kann, ist es in manchen Fällen sinnvoll, Kontakte mit Unterstützung einer Fachkraft im Rahmen begleiteter Umgänge allmählich anzubahnen.
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Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es bei Belastungen im Alltag?
Alleinerziehende Eltern haben häufig sehr hohe Ansprüche an sich selbst, wollen alles alleine schaffen und muten sich sehr viel zu. Vor allem, wenn der andere Elternteil sich kaum einbringt und zusätzlich vielleicht auch Großeltern oder andere Verwandte oder Freunde in der Nähe fehlen, die einem zur Seite stehen könnten, kann der Alltag manchmal sehr herausfordernd sein. Viele alleinerziehende Eltern erleben immer wieder Gefühle der Überforderung, leiden darunter, dass es nie Zeit gibt, um mal durchzuatmen und wieder Kraft zu tanken, und wünschen sich mehr Unterstützung bei der Betreuung der Kinder oder zumindest jemanden zum Reden, der Rat und Rückhalt bieten kann.
Herausforderungen im Alltag bewältigen
Unterstützungsangebote und Hilfen
Wichtig ist: Es ist bemerkenswert, was Sie alles stemmen. Sie müssen aber nicht alles alleine schaffen. Es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote für alleinerziehende Eltern, die Sie in Anspruch nehmen können.
- Wenden Sie sich am besten an Ihr örtliches Jugendamt. Dieses kann Sie über die in Ihrem Ort verfügbaren Hilfen informieren und passende Unterstützungsangebote vermitteln. Auf der Seite www.unterstuetzung-die-ankommt.de können Sie das Jugendamt in Ihrer Nähe finden und sich über die Aufgaben und Arbeitsweise von Jugendämtern informieren. Sie haben Hemmungen sich ans Jugendamt zu wenden? Hier finden Sie Informationen zu den Aufgaben des Jugendamts.
- Wenn Sie ein Kind im Alter von 0 bis 3 Jahren haben, können Sie auch die verschiedenen kostenfreien Angebote der Frühen Hilfen nutzen. Die Angebote der Frühen Hilfen unterscheiden sich regional und umfassen neben professioneller Beratung, Eltern-Kind-Gruppen oder Elternkursen beispielsweise auch das Angebot von „Familienpaten“. Dies sind geschulte Ehrenamtliche, die zu Ihnen nach Hause kommen, um Sie im Alltag zu unterstützen und zu entlasten. Auf der Seite www.elternsein.info können Sie sich über alle Angebote der Frühen Hilfen informieren.
- Weitere hilfreiche Tipps und Informationen zu rechtlichen und finanziellen Fragen, Anlaufstellen und Vernetzungsmöglichkeiten finde Sie zudem auf der Internetseite des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) www.vamv.de
- Wenn Ihnen vor allem der Austausch mit anderen Eltern fehlt, gibt es in vielen Städten und Gemeinden Eltern-Treffs und Eltern-Cafés, die sich teilweise an alle, teilweise speziell an alleinerziehende Eltern richten.
Alleinerziehende, die sich gegenseitig helfen
Bei Ihnen sind fehlende oder unzureichende Unterhaltszahlungen ein Problem?
Im Bereich „Trennung rechtlich durchdenken“ finden Sie umfassende Informationen über ihre Ansprüche und wie Sie diese geltend machen können.
Unterhaltszahlungen
Quellen
Mehr zum Thema
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Quellen
Keil, J. & Langmeyer, A. N. (2020). Vater-Kind Kontakt nach Trennung und Scheidung: Die Bedeutung struktureller sowie intrafamilialer Faktoren. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 40(1), 39–61.
Köppen, K., Kreyenfeld, M. & Trappe, H. (2018). Loose ties? Determinants of father–child contact after separation in Germany. Journal of Marriage and Family, 80(5), 1163–1175.
Lux, U., Entleitner-Phleps, C., Langmeyer, A. N., Löchner, J., Walper, S. & Ulrich, S. M. (2023). Belastungslagen von Alleinerziehenden-, Stief- und Kernfamilien Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten. Befunde aus zwei repräsentativen deutschen Studien. Gesundheitswesen, 85(11), 975–981. https://doi.org/10.1055/a-2106-9582
Mit Stress umgehen
Wie komme ich mit Stress zurecht und sorge gut für mich?
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Wie können Umganskontakte und Übergaben positiv gestaltet werden?
Kontakte sind für Kinder wichtig, um weiter eine Beziehung zu beiden Elternteilen pflegen zu können. Auf der folgenden Seite erhalten Sie Informationen dazu, wie man eine passende Kontaktregelung für die Kinder findet und wie man Übergaben positiv gestalten kann. Außerdem finden Sie praktische Tipps zur Gestaltung von Umgangszeiten mit den Kindern.
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Anspruch, Höhe und Probleme
Eltern sind ihren Kindern gegenüber in jedem Fall unterhaltspflichtig. Geldleistungen werden jedoch häufig nicht oder nicht in voller Höhe erbracht. Viele betroffene Eltern nehmen in diesem Fall Unterhaltsvorschuss in Anspruch.
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