Betreuungsmodelle: Residenzmodell & Wechselmodell
erstellt am 20.01.23 von Prof. Dr. Eva Schumann Familienrecht, Georg-August-Universität Göttingen

Was erwartet Sie auf dieser Seite?
Hier finden Sie Antworten auf die folgenden Fragen:
- Welche Betreuungsmodelle gibt es?
- Welches Betreuungsmodell passt am besten zu uns?
- Welche rechtlichen Auswirkungen hat das Residenzmodell?
- Welche rechtlichen Auswirkungen hat ein Wechselmodell?
- Kann ein Wechselmodell gegen den Willen des anderen Elternteils gerichtlich angeordnet werden?
- Wo hat das Kind nach einer Trennung der Eltern seinen Hauptwohnsitz?
Welche Betreuungsmodelle gibt es?
Das deutsche Recht sieht bislang keine detaillierte Ausgestaltung der einzelnen Betreuungsmodelle vor. Im Folgenden stellen wir Ihnen die gesetzlichen und sich in der Praxis entwickelten Betreuungsmodelle vor.
Vorweg ist wichtig zu wissen, dass die Entscheidung für ein bestimmtes Betreuungsmodell nicht davon abhängt, ob beide Eltern sorgeberechtigt sind oder nur einem Elternteil die elterliche Sorge zusteht. Vielmehr sollten Sie sich unter Berücksichtigung der Wünsche und Vorstellungen Ihres gemeinsamen Kindes für das Betreuungsmodell entscheiden, das dem Kindeswohl am besten entspricht. Beachten Sie dabei, dass sich die Entscheidung für ein bestimmtes Betreuungsmodell bzw. der Umfang der Mitbetreuung oder des Umgangs auch finanziell auswirken kann (z. B. auf die Höhe des Kindesunterhalts oder den Bezug von staatlichen Leistungen).
Schaubild zu verschiedenen rechtlich relevanten Betreuungsmodellen


Residenzmodell
Einige gesetzliche Regelungen setzen das Residenzmodell voraus, bei dem das Kind ganz überwiegend bei einem Elternteil lebt (hauptbetreuender Elternteil) und mit dem anderen Elternteil regelmäßig Umgang hat (Umgangselternteil). Von diesem Modell spricht man auch dann, wenn ein Elternteil deutlich mehr Umgangskontakte als üblich hat (sog. „erweiterter Umgang“).

Sonderfall:
Nestmodell
Beim Nestmodell wechselt nicht das Kind das Zuhause, sondern die Eltern. So kann beispielsweise das Kind nach einer Trennung übergangsweise in der ehemaligen Familienwohnung wohnen bleiben und dort von den Eltern im Wechsel betreut werden. Typischerweise liegt dann auch eine geteilte Betreuung vor, das Modell kann aber auch im Residenzmodell (mit einem hauptbetreuenden Elternteil und einem Umgangselternteil) praktiziert werden. Das Nestmodell wird aufgrund des finanziellen Aufwandes für die Eltern, die jeweils eine eigene Wohnung bzw. eine Ausweichmöglichkeit (Wohnen bei Dritten) benötigen, nur selten (meist als Übergangslösung) praktiziert. In welchen Fällen ein Nestmodell sinnvoll sein kann, erfahren Sie hier:

Eine gute Eltern-Kind-Beziehung ist bei allen Betreuungsmodellen möglich

Geteilte
Betreuung
Unter dem Oberbegriff „geteilte Betreuung“ werden das paritätische und das asymmetrische Wechselmodell zusammengefasst.
- Paritätisches Wechselmodell
Die getrenntlebenden Eltern betreuen das Kind zu gleichen Anteilen bei sich zu Hause im Wechsel, beispielsweise ist das Kind abwechselnd jeweils eine Woche bei einem Elternteil. - Asymmetrisches Wechselmodell
Die getrenntlebenden Eltern betreuen das Kind zu ungleichen Anteilen bei sich zu Hause im Wechsel, beispielsweise betreut ein Elternteil das Kind an vier Tagen und der andere an drei Tagen in der Woche. Es gibt unterschiedliche Auffassungen dazu, wie umfangreich der Mitbetreuungsanteil sein muss, damit von einer geteilten Betreuung gesprochen werden kann. Wir empfehlen, bereits ab einem Mitbetreuungsanteil von 33 % von einem asymmetrischen Wechselmodell auszugehen. Diese Betreuungsquote wird auch bei verschiedenen staatlichen Leistungen als relevant angesehen.
Auswirkungen hat die Unterscheidung zwischen paritätischem und asymmetrischem Wechselmodell nur im Bereich des Kindesunterhalts.
Im Überblick: Wann liegt eine geteilte Betreuung vor?
- Mitbetreuungsanteil von mindestens 33 %
- beide Eltern sind für das Kind im Alltag verantwortlich (Hausaufgabenbetreuung, Arztbesuche, Freizeitgestaltung usw.)
- das Kind hat bei beiden Eltern ein Zuhause (kindgerechte Ausstattung der Wohnung sowie Gefühl des Kindes von „Zuhause-Sein“ bei beiden Eltern)
Welches Betreuungsmodell passt am besten zu uns?
Es gibt kein ideales Modell für alle Trennungsfamilien!
Wichtig ist vielmehr, dass Sie als Eltern zunächst klären, welches Betreuungsmodell dem Wohl des Kindes am besten dient und zu Ihrer Lebenssituation am besten passt. An diesem Klärungsprozess sollten Sie Ihr Kind altersgerecht beteiligen und seine Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigen. Für Kinder ist wichtig, dass sie stabile und gute Beziehungen zu beiden Eltern haben. Dies ist im Rahmen eines Residenzmodells mit einem hauptbetreuenden Elternteil und üblichem Umgang des anderen Elternteils genauso gut wie bei einer geteilten Betreuung möglich. Denn die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung ist wichtiger als die Häufigkeit des Kontakts. Welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Betreuungsmodelle aus Sicht der Eltern und Kinder haben, erfahren Sie hier:

Entscheidungsfaktoren
Bei Ihrer Entscheidung für ein bestimmtes Betreuungsmodell sollten Sie berücksichtigen, dass es Faktoren gibt, die eher für das eine oder das andere Modell sprechen. Oft zeigen sich die Vor- und Nachteile eines Modells auch erst bei der „Erprobung“. Daher kann es sich anbieten, nach der Trennung ein Betreuungsmodell zunächst für mehrere Monate „auszuprobieren“ und nach Ablauf der Probezeit die konkrete Ausgestaltung des Modells nochmals miteinander und mit dem Kind zu besprechen. Manchmal können schon kleine Anpassungen dazu beitragen, dass die Ausübung des jeweiligen Betreuungsmodells besser funktioniert. Eine Checkliste, die Ihnen bei Ihrer Entscheidung für ein Betreuungsmodell helfen kann, finden Sie hier:
Mögliche Entscheidungskriterien
Kriterien bei der Entscheidung für ein bestimmtes Betreuungsmodell können sein...
- Kontinuität in der Betreuung
- Entfernung der Elternwohnungen
- Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft der Eltern
- Wünsche und Bedürfnisse des Kindes
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Ausgestaltung der geteilten Betreuung in einer Elternvereinbarung
Einzelheiten zur Ausgestaltung der geteilten Betreuung können Sie in einer Elternvereinbarung niederlegen. In einer Elternvereinbarung kann auch eine Probezeit festgelegt werden. Zudem können Sie auch festlegen, wie die jeweiligen Betreuungsanteile ermittelt werden sollen. Dies sollte möglichst unkompliziert erfolgen, z. B. durch das Zählen von Übernachtungen oder das Zählen der Kalendertage, an denen sich das Kind mehr als zwölf Stunden bei einem Elternteil aufhält.
Möchten Sie weitere Informationen zu Elternvereinbarungen, z. B. zur Bindungswirkung solcher Vereinbarungen erhalten?
Hier finden Sie hilfreiche Tipps zur Ausgestaltung und Ausübung der Betreuung:
Inhalt einer Betreuungsvereinbarung im Wechselmodell
In einer Betreuungsvereinbarung können folgende Punkte geregelt werden:
- Wie soll die Betreuung aufgeteilt werden? Wann finden die Wechsel von einem zum anderen Elternteil statt?
- Wie wird die „Übergabe“ des Kindes organisiert?
- Wie sollen Feier- und Geburtstage sowie die Ferienzeiten aufgeteilt werden?
- Wie sollen Kontakte außerhalb der Betreuungszeiten erfolgen?
Hier finden Sie ein entsprechendes Muster für eine Betreuungsvereinbarung bei geteilter Betreuung:
Welche rechtlichen Auswirkungen hat das Residenzmodell?
Das Residenzmodell wird in einigen gesetzlichen Regelungen berücksichtigt. Details zu den Voraussetzungen und Wirkungen dieser Regelungen werden bei den einzelnen Themenkomplexen näher erläutert. Hier finden Sie zur Orientierung einen ersten Überblick.
Ausübung der elterlichen Sorge
- Besteht eine gemeinsame elterliche Sorge, dann regelt § 1687 BGB die Sorgebefugnisse der getrenntlebenden Eltern.
- Hat der hauptbetreuende Elternteil hingegen die Alleinsorge inne, dann beschränken sich die Entscheidungsbefugnisse des Umgangselternteils auf Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung.
Kindesunterhalt
- Nach § 1606 Absatz 3 Satz 2 BGB gilt die Regel, dass der hauptbetreuende Elternteil keinen Barunterhalt für das Kind zahlen muss, da er das Kind betreut. Barunterhalt schuldet nur der Umgangselternteil.
- Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Ein erweiterter Umgang kann bei der Höhe des Kindesunterhalts berücksichtigt werden.
Unterhaltsvorschuss
- Das Kind hat einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss (§ 1 UVG ), wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil den Kindesunterhalt nicht (regelmäßig) zahlt.
Kindergeld
- Das Kindergeld erhält in der Regel der hauptbetreuende Elternteil. Die Hälfte des Kindergeldes wird aber auf den Barunterhalt, den der andere Elternteil bezahlt, angerechnet.
- Den Kinderzuschlag erhält ebenfalls der hauptbetreuende (kindergeldberechtigte) Elternteil.
Betreuungsunterhalt
- Nur der hauptbetreuende Elternteil kann unter Umständen einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt haben.
Entlastungsbetrag Alleinerziehende
- Nach § 24b EStG steht der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende dem hauptbetreuenden Elternteil zu, wenn das Kind bei ihm gemeldet bzw. er kindergeldberechtigt ist.
Wohngeld
- Da der hauptbetreuende Elternteil und das Kind eine Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 4 WoGG bilden, erhöht das Kind als Haushaltsmitglied den Wohngeldanspruch des hauptbetreuenden Elternteils.
Bürgergeld
- Bürgergeld für das Kind (§ 19 Absatz 1 SGB II ) steht jedem Elternteil (auch dem Umgangselternteil) anteilig für die Tage zu, an denen sich das Kind bei ihm aufhält.
Mehrbedarfe
- Der Mehrbedarf für Alleinerziehende steht nur dem hauptbetreuenden Elternteil zu.
- Der Umgangselternteil kann jedoch Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangs als sozialrechtlichen Mehrbedarf sowie die durch den Umgang ausgelösten erhöhten Wohnkosten als zusätzlichen Wohnbedarf geltend machen.
Welche rechtlichen Auswirkungen hat das Wechselmodell?
Die geteilte Betreuung ist bislang kaum gesetzlich geregelt. Daher ist auch vieles umstritten. Einzelne Fragen sind inzwischen von der Rechtsprechung entschieden. Details hierzu werden bei den einzelnen Themenkomplexen näher erläutert. Im Folgenden wird ein erster Überblick geboten.
Ausübung der elterlichen Sorge
- Bei der geteilten Betreuung ist umstritten, ob Angelegenheiten des täglichen Lebens (Alltagssorge) von beiden Eltern einvernehmlich entschieden werden müssen oder von dem Elternteil allein entschieden werden können, der das Kind gerade betreut.
Kindesunterhalt
- Der Bundesgerichtshof hat für das paritätische Wechselmodell entschieden, dass beide Eltern dem Kind Barunterhalt schulden. Die Höhe der anteiligen Unterhaltspflicht jedes Elternteils bestimmt sich nach der Höhe des jeweiligen Einkommens.
- Beim asymmetrischen Wechselmodell schuldet derzeit nur der Elternteil mit dem geringeren Betreuungsanteil Barunterhalt, allerdings mindert die Mitbetreuung die Höhe des Barunterhalts.
Unterhaltsvorschuss
- Die Regelung zum Unterhaltsvorschuss (§ 1 UVG ) ist auf das Residenzmodell zugeschnitten. Beim paritätischen Wechselmodell hat das Kind keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss.
- Bei einem asymmetrischen Wechselmodell mit einer Aufteilung der Betreuungszeiten zwischen den Eltern von einem Drittel und zwei Dritteln besteht ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn der Elternteil mit dem geringeren Betreuungsanteil den Kindesunterhalt nicht (regelmäßig) zahlt.
Kindergeld
- Das Kindergeld kann nach den gesetzlichen Vorgaben nur an einen Elternteil ausgezahlt werden. Die Eltern können sich aber einigen, wer das Kindergeld bezieht und dann intern einen Ausgleich vornehmen.
- Den Kinderzuschlag erhält der Elternteil, der das Kindergeld bezieht.
Betreuungsunterhalt
- Überwiegend wird davon ausgegangen, dass bei einer geteilten Betreuung beide Elternteile verpflichtet sind, zu arbeiten, so dass nur in Ausnahmefällen Unterhaltsansprüche zwischen den Eltern entstehen können.
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
- Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG kann nicht zwischen den Eltern aufgeteilt werden. Die Eltern können aber bestimmen, wer den Entlastungsbetrag erhalten soll.
Wohngeld
- Für den Wohngeldanspruch sieht § 5 Absatz 4 WoGG vor, dass bei einer Betreuung des Kindes im Wechsel, die ab einem Mitbetreuungsanteil von 33 % angenommen wird, das Kind bei beiden Eltern Haushaltsmitglied ist und damit bei der Höhe des Wohngelds bei beiden Eltern berücksichtigt wird.
Bürgergeld
- Bürgergeld für das Kind (§ 19 Absatz 1 SGB II ) steht jedem Elternteil anteilig für die Tage zu, an denen sich das Kind beim ihm aufhält.
Mehrbedarfe
- Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist beim paritätischen Wechselmodell zwischen den Eltern hälftig aufzuteilen. Beim asymmetrischen Wechselmodell steht der Mehrbedarf nur dem überwiegend betreuenden Elternteil zu.
- Die durch das Wechselmodell verursachten Mehrkosten (z. B. Fahrtkosten) können als sozialrechtlicher Mehrbedarf und die erhöhten Wohnkosten als zusätzlicher Wohnbedarf geltend gemacht werden.
Kann ein Wechselmodell gegen den Willen des anderen Elternteils gerichtlich angeordnet werden?
Anordnung einer geteilten Betreuung als Umgangsregelung
Die geteilte Betreuung ist gesetzlich nicht geregelt. Deshalb war lange umstritten, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine geteilte Betreuung vor Gericht durchgesetzt werden kann. 2017 hat der Bundesgerichtshof entschieden , dass eine geteilte Betreuung bis hin zum paritätischen Wechselmodell als Umgangsregelung angeordnet werden kann.
Möchte sich ein Elternteil mit dem anderen Elternteil die Betreuung des Kindes im Wechsel teilen und ist dieser nicht damit einverstanden, dann kann eine gerichtliche Entscheidung beantragt werden.

Familie Abadi vor dem Familiengericht
Kriterien für die gerichtliche Anordnung einer geteilten Betreuung
Bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen wird das Familiengericht in der Regel eine geteilte Betreuung anordnen.
- gemeinsame Sorge der Eltern (die allerdings keine zwingende Voraussetzung für eine geteilte Betreuung ist)
- entspricht dem Kindeswohl und Kindeswillen
- Kontinuität in der Betreuung, d. h. das Kind wurde schon bislang von beiden Eltern betreut
- Erziehungseignung beider Eltern
- Fähigkeit der Eltern zu gegenseitiger Kooperation und Kommunikation, um den erhöhten Abstimmungsbedarf im Alltag des Kindes zu bewältigen
- Kompromissbereitschaft beim Umgang mit Konflikten
- stabile Beziehungen des Kindes zu beiden Eltern
- räumliche Nähe der Elternwohnungen
Zu beachten ist, dass das Familiengericht immer eine Einzelfallentscheidung treffen wird, bei der noch weitere Faktoren eine Rolle spielen können.
Berücksichtigung von Kindeswohl und Kindeswillen
Gegen den Willen des Kindes wird das Familiengericht in der Regel keine geteilte Betreuung anordnen. Dies gilt insbesondere, wenn ältere Kinder und Jugendliche die ständigen Wechsel z. B. im Hinblick auf ihre eigenen sozialen Kontakte als belastend wahrnehmen und daher ablehnen. Das Gericht wird eine geteilte Betreuung zudem nur dann anordnen, wenn diese dem Kindeswohl (im Verhältnis zum Residenzmodell) am besten entspricht. Dabei kann es auch auf die konkreten Modalitäten der Ausgestaltung der geteilten Betreuung ankommen. So wird beispielsweise ein Wechselmodell, bei dem Geschwister im Wechsel so betreut werden, dass sie einander nicht sehen, nicht dem Wohl der Kinder entsprechen.
Zur Ermittlung des Kindeswohls und des Kindeswillens wird im familiengerichtlichen Verfahren eine persönliche Anhörung des Kindes stattfinden.
Möchten Sie mehr über das Verfahren vor dem Familiengericht erfahren?
Wo hat das Kind nach einer Trennung der Eltern seinen Hauptwohnsitz?
Hauptwohnsitz des Kindes von Betreuungsmodell abhängig
Nach § 22 des Bundesmeldegesetzes ist der Hauptwohnsitz des Kindes in der Wohnung des Elternteils, bei dem das Kind überwiegend lebt. Die Wohnung des anderen Elternteils, bei dem sich das Kind weniger als 50 % der Zeit aufhält, kann als Nebenwohnsitz gemeldet werden.
Die Bestimmung des Hauptwohnsitzes des Kindes hängt vom gewählten Betreuungsmodell ab.
Residenzmodell / Asymmetrisches Wechselmodell
Die Bestimmung des Hauptwohnsitzes bereitet beim und beim keine Probleme. Bleibt das Kind nach der Trennung der Eltern mit dem überwiegend betreuenden Elternteil in der Familienwohnung, dann ändert sich nichts am Hauptwohnsitz des Kindes.
Verlässt der hauptbetreuende Elternteil mit dem Kind die Familienwohnung, dann kann er in der Regel das Kind alleine am neuen Wohnsitz anmelden, wenn der andere sorgeberechtigte Elternteil mit dem Umzug einverstanden ist. Die Unterschrift von beiden sorgeberechtigten Elternteilen auf dem Meldeschein ist somit nicht zwingend erforderlich.
Paritätisches Wechselmodell
Bei einem wohnt das Kind hingegen zu gleichen Teilen abwechselnd in den beiden Elternwohnungen, so dass es im Grunde gar keinen Hauptwohnsitz des Kindes gibt. Nach der müssen die sorgeberechtigten Eltern in diesem Fall durch gemeinsame Erklärung gegenüber der Meldebehörde einen Hauptwohnsitz des Kindes bestimmen.

Das Kind kann nur einen Hauptwohnsitz haben, aber zwei Zuhause
Keine Einigung im paritätischen Wechselmodell
Können sich die Eltern bei einem paritätischen Wechselmodell nicht über die Festlegung des Hauptwohnsitzes des Kindes einigen, so ist umstritten, ob zur Entscheidung dieser Frage ein Gericht angerufen werden kann. Eine gerichtliche Entscheidung dieser Angelegenheit kann nur dann erfolgen, wenn diese für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, z. B. wenn die Wahl der Grundschule vom Hauptwohnsitz des Kindes abhängig ist. In der Praxis lassen sich aber zur Lösung dieses Problems meist pragmatische Lösungen mit den Schulen finden.
Eltern-Tipp:
Informieren Sie sich bei der Schule!
Fragen Sie frühzeitig bei der Schule bzw. der zuständigen Schulbehörde an, ob Ihr Kind die Schule auch dann besuchen kann, wenn sein Hauptwohnsitz in einem anderen Schulbezirk liegt.
Quellen & Links
Mehr zum Thema
Hier finden Sie Informationen zu Quellen der Inhalte dieser Seite und Links zu vertiefenden Informationen.
Quellen
Als Quellen wurden unter anderem verwendet:
Damljanovic, D. (2016). Das Wechselmodell. Geltendes Recht und Reformbedarf. Peter Lang.
Matthäus, T., Lütkehaus, I. (2021). Umgang im Wechselmodell. Eine Familie, zwei Zuhause: Gleichberechtigte Eltern bleiben nach Trennung und Scheidung. dtv.
Schneider, S. (2021). Bedingungen für die kindeswohldienliche Praktizierung des Wechselmodells. Eine interdisziplinäre Betrachtung de lege lata und de lege ferenda. Wolfgang Metzner Verlag.
Schumann, E. (2018). Gemeinsam getragene Elternverantwortung nach Trennung und Scheidung – Reformbedarf im Sorge-, Umangs- und Unterhaltsrecht? in: Verhandlungen zum 72. Deutschen Juristentag, hrsg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, Bd. 1. C.H. Beck.
Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen (2021). Gemeinsam getrennt erziehen.
Wichtige Gerichtsentscheidungen:
BGH 27.11.2019 – XII ZB 512/18 (keine gerichtliche Anordnung eines paritätischen Wechselmodells bei starkem Loyalitätskonflikt zwischen den Eltern)
BGH 1.2.2017 - XII ZB 601/15 (Kriterien zur gerichtlichen Anordnung eines paritätischen Wechselmodells als Umgangsregelung)
BVerwG 30.9.2015 - 6 C 38.14 (Hauptwohnsitz des Kindes bei Wechselmodell)
Weitere Informationen
Links zum Thema:
Familienportal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit FAQs zu getrennt erziehend & alleinerziehend
Monitor Familienforschung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema Allein- oder getrennterziehen - Lebenssituation, Übergänge und Herausforderungen (Stand: 2021)
Kindeswohl & Kindeswille
Berücksichtigung von Kindeswohl & Kindeswillen bei Entscheidung für ein Betreuungsmodell
Bei der Entscheidung für ein Betreuungsmodell sollten Eltern das Wohl und den Willen des gemeinsamen Kindes berücksichtigen. Worauf Sie als Eltern dabei achten sollten, erfahren Sie auf der folgenden Unterseite.
Kindesunterhalt
Das Betreuungsmodell beeinflusst die Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt
Das gewählte Betreuungsmodell hat erhebliche Auswirkungen auf die Berechnung des Kindesunterhalts. Wissenswertes dazu erfahren Sie auf der folgenden Unterseite.
Betreuungsmodelle
Betreuungsmodelle aus psychologischer Sicht
Noch mehr Informationen zu den verschiedenen Betreuungsmodellen, nach welchen Kriterien Sie sich für ein Betreuungsmodell entscheiden können und wie sie umgesetzt werden können, finden Sie auf der folgenden Unterseite.