Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich
aktualisiert am 31.01.24 von Elisabeth Galbas Familienrecht, Georg-August-Universität Göttingen
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Hier finden Sie Antworten auf die folgenden Fragen:
- In welchen Fällen kommt ein Anspruch auf Zugewinnausgleich in Betracht?
- Wie wird der Anspruch auf Zugewinnausgleich berechnet?
- Wie funktioniert der Versorgungsausgleich?
Sie erhalten hier einen ersten Überblick über die Rechtslage. Dieser kann jedoch eine anwaltliche Beratung im konkreten Einzelfall nicht ersetzen.
/ Die Informationen für Eheleute gelten gleichermaßen für eingetragene Lebenspartnerschaft.
In welchen Fällen kommt ein Anspruch auf Zugewinnausgleich in Betracht?
Zugewinnausgleich im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft
Eine gleichberechtigte Teilhabe am Vermögenszuwachs während der Ehe findet anlässlich der Scheidung für Ehepaare statt, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Dies ist automatisch der Fall, wenn Sie keinen abweichenden Ehevertrag geschlossen haben.
Sonderreglungen für bestimmte Vermögenswerte
Für bestimmte Vermögenswerte sieht das Gesetz Sonderregelungen vor, die dazu führen, dass diese Vermögenswerte nicht beim Zugewinnausgleich berücksichtigt werden:
- Anrechte auf Renten- und Altersvorsorge werden im Rahmen des Versorgungsausgleichs und nicht beim Zugewinnausgleich berücksichtigt.
- Für die Aufteilung von Haushaltsgegenständen gelten ebenfalls Sonderregelungen, wenn diese Gegenstände Ihnen gemeinsam gehören. Dies wird bei allen während der Ehe angeschafften Haushaltsgegenständen vermutet.
Abweichende Vereinbarungen
Haben Sie durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag einen anderen Güterstand vereinbart (z. B. Gütertrennung ), dann findet kein Zugewinnausgleich anlässlich der Scheidung statt. Für Eheleute, die Gütertrennung durch einen Ehevertrag vereinbart haben, kann aber in Ausnahmefällen auch ein Vermögensausgleich am Ende der Ehe in Frage kommen. Sie können auch bei einer Zugewinngemeinschaft noch anlässlich der Scheidung eine auf Ihre Situation angepasste Regelung zum Vermögensausgleich treffen (sog. Scheidungsfolgenvereinbarung). Hierfür sollte aber jeder Ehepartner eine umfassende anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen.
In einer Scheidungsfolgenvereinbarung können die Eheleute mit anwaltlicher Hilfe eine auf ihre Situation angepasste Regelung des Vermögensausgleichs treffen
Auswirkung der Zugewinngemeinschaft im Falle einer Scheidung
Leitgedanke der Zugewinngemeinschaft ist die gleichberechtigte Teilhabe beider Eheleute am Vermögenszuwachs während der Ehe. Dieser wird deshalb anlässlich der Scheidung zu gleichen Teilen zwischen den Ehepartnern aufgeteilt, und zwar unabhängig davon, wie viel jeder Ehepartner dazu beigetragen hat. Dadurch werden Nachteile des Ehepartners ausgeglichen, wenn dieser aufgrund von Haushaltsführung und Kinderbetreuung weniger Vermögen erwerben konnte. Der Zugewinnausgleich anlässlich der Scheidung findet aber auch dann statt, wenn Sie sich die Erwerbs- und Hausarbeit gleichmäßig aufgeteilt haben, ein Ehepartner allerdings aufgrund eines deutlich höheren Einkommens einen höheren Vermögenszuwachs während der Ehe erzielt hat. In allen Fällen muss der Ehepartner mit dem höheren Zugewinn einen Ausgleich an den anderen Ehepartner zahlen.
Bedeutung der Zugewinngemeinschaft
Beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft bleiben die Vermögen der Eheleute getrennt. Dies bedeutet, dass das Vermögen, das ein Ehepartner schon vor der Ehe hatte, weiterhin nur ihm zugeordnet bleibt. Aber auch Vermögen, das ein Ehepartner nach der Eheschließung allein erwirbt, gehört nur ihm. Kommt es zur Scheidung, wird ein möglicher Vermögenszuwachs während der Ehezeit zwischen den Ex-Partnern aufgeteilt.
Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft bleiben die Vermögen der Eheleute getrennt
Zeitpunkt des Zugewinnausgleichs
Der Zugewinnausgleich erfolgt grundsätzlich im Rahmen des gerichtlichen Scheidungsverfahrens auf Antrag eines Ehepartners und zählt damit zu den Folgesachen einer Ehescheidung. Stichtag für die Ermittlung des Zugewinns ist der Tag, an dem der Scheidungsantrag zugestellt wird. Für die Durchführung des Zugewinnausgleichs müssen Sie anwaltlich vertreten sein. Die nachfolgenden Informationen sollen Ihnen daher nur einen ersten Überblick über den Zugewinnausgleich geben.
Mehr zur Scheidung und zum Scheidungsverfahren erfahren Sie hier:
Vorzeitiger Zugewinnausgleich
In bestimmten Fällen kommt auch schon vor Einleitung eines Scheidungsverfahrens ein vorzeitiger Zugewinnausgleich in Betracht.
Ein vorzeitiger Zugewinnausgleich ist möglich, wenn …
- die Ehepartner länger als 3 Jahre getrennt leben
- vom anderen Ehepartner unfaire Vermögensminderungen zu befürchten sind, die den Ausgleichsanspruch gefährden
- der andere Ehepartner schon während der Ehe seine wirtschaftlichen Verpflichtungen nicht erfüllt hat und anzunehmen ist, dass sich dies auch in Zukunft nicht ändert
- der andere Ehepartner seiner Auskunftspflicht über sein Vermögen nicht nachkommt
Praxis-Hinweis:
Bedeutung des vorzeitigen Zugewinnausgleichs bei langer Trennungszeit
Grundsätzlich ist nicht der Zeitpunkt der Trennung, sondern die Einleitung des Scheidungsverfahrens für die Berechnung des Zugewinnausgleichs maßgeblich. Das bedeutet, dass jeder Ehepartner während der Trennungszeit von sämtlichen Gewinnen des anderen Ehegatten profitieren kann, aber auch an dessen Verlusten beteiligt wird. Leben Sie bereits seit drei Jahren getrennt, dann kann ein vorzeitiger Zugewinnausgleich sinnvoll sein. Hierzu empfiehlt sich eine anwaltliche Beratung .
Wie wird der Anspruch auf Zugewinnausgleich berechnet?
Berechnung des Zugewinnausgleichs
Ein Anspruch auf Zugewinnausgleich besteht, wenn ein Ehepartner während der Ehe einen höheren Zugewinn als der andere erwirtschaftet hat. Um zu ermitteln, ob und wenn ja, in welcher Höhe ein Anspruch auf Zugewinnausgleich besteht, ist eine aufwendige Berechnung notwendig, die hier nur in Grundzügen erläutert werden kann.
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Ermittlung des Zugewinns bei jedem Ehepartner
Zunächst ist zu ermitteln, wie viel jeder Ehepartner während der Ehe an Vermögen hinzugewonnen hat (Zugewinn). Der Zugewinn ergibt sich, wenn man vom Endvermögen das Anfangsvermögen abzieht.
Für die Ermittlung des Vermögens werden zunächst alle Vermögenswerte aufgelistet (mit ihrem Geldwert zum Stichtag) und anschließend werden die am jeweiligen Stichtag bestehenden Verbindlichkeiten abgezogen. Gemeinsames Vermögen und gemeinsame Verbindlichkeiten werden in der Regel (sofern nichts Abweichendes gilt) jeweils zur Hälfte bei jedem Ehepartner berücksichtigt. Mehr zur Aufteilung des gemeinsamen Vermögens und gemeinsamer Verbindlichkeiten erfahren Sie hier:
Der eheliche Vermögenszuwachs wird gleichmäßig zwischen den Eheleuten verteilt
Stichtage für Anfangs- und Endvermögen
Das Anfangsvermögen ist das Vermögen, das ein Ehepartner zu Beginn des Güterstandes hatte (im Regelfall bei der Eheschließung). Das Endvermögen ist das Vermögen, das ein Ehepartner vor Beendigung des Güterstandes hatte (im Regelfall bei Zustellung des Scheidungsantrags an den anderen Partner).
Anfangs- und Endvermögen können negativ sein, der Zugewinn nicht
Anfangs- und Endvermögen können auch jeweils einen negativen Wert haben, wenn das Vermögen eines Ehepartners zum entsprechenden Stichtag überschuldet ist. Hat ein Ehepartner während der Ehe Schulden abgebaut, dann stellt diese Entschuldung seinen Zugewinn dar. Haben sich die Schulden eines Ehepartners während der Ehe sogar noch vermehrt, dann wird der Zugewinn mit Null angesetzt, da der Zugewinn keinen negativen Wert haben darf.
Besonderheiten bei Ermittlung des Vermögens
Keine Berücksichtigung von Erbschaften und Schenkungen
Zuwendungen zwischen den Ehepartnern
Hinzurechnung unfairer Vermögenszuwendungen
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Bestimmung der Höhe des Zugewinnausgleichs
Nach Ermittlung der Zugewinne bei beiden Ehepartnern wird die Differenz aus den beiden Zugewinnen gebildet. Die Hälfte der Differenz steht dem Ehepartner zu, der den geringeren Zugewinn hat (§ 1378 BGB ).
Ausgleichsanspruch wird durch den Wert des bestehenden Vermögens begrenzt
Der zum Ausgleich verpflichtete Ehepartner muss den Zugewinnausgleich nur dann (voll) bezahlen, wenn er zum Stichtag des Endvermögens genügend Vermögen hat. Dies ist in der unten stehenden Beispielsrechnung der Fall, da der zum Ausgleich verpflichtete Ehepartner ein Endvermögen von 200.000 € hat und hieraus den Zugewinnausgleich in Höhe von 25.000 € leisten kann. Die Beschränkung auf das vorhandene Vermögen gilt allerdings nicht für unfaire Vermögensminderungen.
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Zahlung des Zugewinnausgleichs
Der Anspruch auf Zugewinnausgleich muss vom ausgleichsberechtigten Ehepartner innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft der Scheidung geltend gemacht werden, sofern er nicht schon im Scheidungsverbundverfahren verlangt wurde.
Beispielrechnung
Ein Ehepartner hat ein Endvermögen von 200.000 € und sein Anfangsvermögen umfasste 100.000 €. Somit beträgt sein Zugewinn 100.000 €. Der andere Ehepartner hat Schulden, die zu Beginn der Ehe bei 100.000 € und am Ende der Ehe nur noch bei 50.000 € liegen. Seine Schulden haben sich somit um 50.000 € verringert, sodass er einen Zugewinn in dieser Höhe erzielt hat.
Ehepartner 1 | Ehepartner 2 | ||
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Endvermögen | 200.000 € | -50.000 € | |
Anfangsvermögen | 100.000 € | -100.000 € | |
Zugewinn | 100.000 € | 50.000 € | Differenz: 50.000 € |
Zugewinnausgleich | ausgleichspflichtig | ausgleichsberechtigt | Ausgleichsanspruch in Höhe der hälftigen Differenz: 25.000 € |
Der Zugewinn des ersten Ehepartners übersteigt den Zugewinn des zweiten Ehepartners um 50.000 €. Die Hälfte davon (25.000 €) muss er dem anderen Ehepartner als Zugewinnausgleich zahlen.
Wie funktioniert der Versorgungsausgleich?
Hälftige Aufteilung der Versorgungsanwartschaften
Alle Anrechte auf Renten sowie Alters- und Invalidenvorsorge, die während der Ehe erworben wurden, werden im Falle einer Scheidung zwischen den Ehepartnern hälftig geteilt (sog. Versorgungsausgleich). Dies führt dazu, dass ein Ehepartner, der für die Versorgung der Familie seine Berufstätigkeit reduziert und deshalb eine geringere Altersvorsorge erwirtschaftet hat, im Alter besser abgesichert ist. Grund für den Versorgungsausgleich ist somit die Vorstellung, dass die von einem Ehepartner in der Ehe erworbenen Anrechte vom anderen Ehepartner „mitverdient“ sind. Der Versorgungsausgleich findet aber auch dann statt, wenn die Eheleute die Hausarbeit gleichmäßig aufgeteilt haben, unabhängig davon, wie viel jeder Ehepartner verdient hat.
Versorgungsausgleich unabhängig vom Güterstand
Der Versorgungsausgleich wird vom Familiengericht unabhängig vom Güterstand bei allen Ehegatten anlässlich der Scheidung durchgeführt. Dabei wird jeder Ehepartner an den Versorgungsanrechten, die der andere während der Ehe erworben hat, zur Hälfte beteiligt. Anders als beim Zugewinnausgleich gibt es beim Versorgungsausgleich keine Gesamtsaldierung. Somit ist im Regelfall jeder Ehepartner sowohl ausgleichsberechtigt als auch ausgleichsverpflichtet.
Stichtage für die Ehezeit sind der erste Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen wurde sowie der letzte Tag des Monats vor der Zustellung des Scheidungsantrags an den anderen Ehegatten. Berücksichtigt werden somit regelmäßig auch alle Versorgungsansprüche, die nach der Trennung bis zur Scheidung entstehen.
Kein Versorgungsausgleich wird durchgeführt, wenn…
- die Ehepartner weniger als drei Jahre verheiratet waren und kein Ehepartner die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt
- wenn die Ehepartner den Versorgungsausgleich bereits in einer Scheidungsfolgenvereinbarung geregelt und darauf wechselseitig verzichtet haben
Praxis-Tipp:
Einvernehmliche Vereinbarung über einen Versorgungsausgleich
Haben die Ehepartner jeweils mehrere Anrechte bei verschiedenen Versorgungsträgern, wird der Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Vorschriften sehr kompliziert und umfangreich. Zudem entstehen Kosten für die Trennung der Anrechte und das gerichtliche Verfahren. Diese Kosten können Sie vermeiden, wenn Sie den Versorgungsausgleich einvernehmlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung regeln. Diese bedarf der notariellen Beurkundung. Zudem sollten Sie sich aufgrund der erheblichen finanziellen Auswirkungen bei der Erarbeitung einer solchen Vereinbarung möglichst beide jeweils durch einen Fachanwalt für Familienrecht beraten lassen.
Empfehlenswert ist eine Einigung über den Versorgungsausgleich
Quellen & Links
Mehr zum Thema
Hier finden Sie Informationen zu Quellen der Inhalte dieser Seite und Links zu vertiefenden Informationen.
Quellen
Als Quellen wurden unter anderem verwendet:
Gerhardt, P., Heintschel-Heinegg, B. v., Klein, M. (2021). Handbuch Familienrecht. Wolters Kluwer.
Kogel, W. (2022). Strategien beim Zugewinnausgleich. C.H.Beck.
Schwab, D., Görtz-Leible, M. (2022). Meine Rechte bei Trennung und Scheidung. dtv.
Viefhues, W. (2022). Von der Trennung bis zur Scheidung. Deutscher Anwaltsverlag.
Wichtige Gerichtsentscheidungen:
OLG Frankfurt a.M. 22.1.2022 - 4 ZF 84/20 (Vorzeitiger Zugewinnausgleich; unfaire Vermögensminderung)
BGH 12.11.2014 - XII ZB 469/13 (unfaire Vermögensminderung)
Weitere Informationen
Links zum Thema:
Broschüre des Bundesministeriums der Justiz zum Eherecht mit weiterführenden Informationen zu Trennung und Scheidung (Stand: 2022)
Informationsseite der Deutschen Rentenversicherung mit weiterführenden Hinweisen zum Versorgungsausgleich
Bei der Suche nach einer anwaltlichen Vertretung können die weiterhelfen.
Vermögen und Schulden
Aufteilung nach Trennung und Scheidung
Gemeinsam erworbenes Vermögen (z. B. Wohneigentum) ist nach einer Trennung auseinanderzusetzen. Zudem ist häufig zu klären, wie mit gemeinsamen Schulden und gemeinsam genutzten Konten zu verfahren ist. Näheres zu Vermögen und Schulden nach einer Trennung erfahren Sie hier.
Gemeinsame Wohnung und Haushaltsgegenstände
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